Treptow-Köpenick hat einen großen Antifaschisten verloren
Am 29. April 2018 ist unser Mitkämpfer und Freund Hans Erxleben verstorben. Diese Nachricht traf uns völlig unerwartet und der Schock über den Verlust sitzt noch immer tief.
Hans war einer der engagiertesten Kämpfer*innen gegen die organisierten Neonazi-Strukturen in Treptow-Köpenick und gegen den rechten Terror, der von diesen ausging. Wenn man sich die Bezirkspolitiker*innen anschaut – zu denen er auch mal gehörte – war er der, der am vehementesten gegen Aktionen von Neonazis eintrat. Dabei stand er oft alleine da. Während andere Mitglieder von Parteien im Bezirk oft die Augen vor Aufmärschen und rechter Gewalt verschlossen, war Hans immer zur Stelle, um dagegen einzutreten, wenn zu Hass und Gewalt gegen andere Menschen aufgewiegelt wurde. Dabei unterschied sich Hans auch deutlich von den anderen Bezirkspolitiker*innen: Während die meisten sich bei Protesten gegen Neonazis und Rassismus nur blicken ließen, um gesehen zu werden und dabei an ihre eigene Karriere dachten, machte Hans oftmals die Drecksarbeit. Denn er investierte viel Lebenszeit und Energie in die Organisation dieser Proteste. Und zwar aus antifaschistischer Überzeugung und dem für alle offensichtlichen Wissen, dass Nichtstun die rechten Aktivitäten immer weiter erstarken lassen würde. Der Gedanke daran, dass dies geschehen könnte, ließ Hans keine Ruhe.
Dabei nahm sich Hans auch kleinen Dingen an, die vielen anderen zu unbedeutend und zu unwichtig erschienen. So stellte er sich etwa im Jahr 2005 gegen den Stadtrat seiner eigenen Partei, um zu erreichen, dass eine antifaschistische Feier anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung Köpenicks vom Nationalsozialismus am Platz des 23. April stattfinden konnte. Das etwa die schikanöse Auflage – die eine Nutzung der Rasenfläche untersagte – aufgehoben wurde, ist seinem energischen Einsatz zu verdanken. Ein anderes Beispiel, mit welchem Hans Erfolg hatte, waren die Proteste gegen die jährlichen rechten Aufmärsche für ein „nationales Jugendzentrum“ im Südosten Berlins. Das über Jahre aufgebrachte antifaschistische Engagement führte dazu, dass die Neonazikampagne aus Treptow-Köpenick vertrieben wurde und der Aufmarsch letztmalig 2006 im Bezirk stattfinden konnte. Hans stellte sich auch über Jahre gegen die menschenverachtende Propaganda der Nazis der NPD, ob bei deren Aktionen auf der Straße oder in der Bezirksverordnetenversammlung. Während so manche Leute der Meinung waren, dass deren Aktivitäten nicht so schlimm seien, da es sich ja um keine verbotene Partei handele, nahm sich Hans die Zeit und versuchte mit sachlichen Argumenten über die Gefahren aufzuklären. Dies tat er auch im Herbst 2014 im Köpenicker Allende-Viertel. Als bekannt wurde, dass dort eine Container-Unterkunft für Geflüchtete entstehen soll, mobilisierte die NPD zusammen mit anderen Neonazis zu rassistischen Aufmärschen. Gegen den ersten dieser Art meldete Hans sofort eine Kundgebung an und wurde zu Beginn von aufgebrachten Anwohner*innen umringt. Er ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen und schaffte es durch seine Gespräche zumindest, dass ein Teil der Leute sich nicht an diesen Aufmärschen beteiligte.
Unvergessen bleibt auch sein Kampf gegen die organisierten Neonazistrukturen in Schöneweide. Im Jahr 2012 wurde die Gegend um die Brückenstraße, die als Braune Straße Berlins galt, auch bundesweit bekannt. Wochenende für Wochenende reisten Neonazis aus ganz Deutschland an und terrorisierten alle im Kiez, die nicht in ihre menschenverachtende Ideologie passten. Was viele mittlerweile verdrängt haben: Die Schöneweider Neonazis hatten weit mehr Geschäfte und Lokalitäten, als den „Henker“ und das „Hexogen“. Und sie alle existieren heute nicht mehr, weil es Menschen wie Hans gab, die nicht einfach weggeschaut haben, sondern unermüdlich dafür gekämpft haben, dass sich Menschen im Kiez wieder ohne Angst bewegen konnten. Er war dabei nicht nur Anmelder von Demonstrationen. So hat er sich etwa auch mit den Opfern rechter Gewalt getroffen und sich um sie gekümmert. Des Weiteren hat er sich mit den Besitzer*innen der Häuser getroffen, in denen die Neonazis Flächen angemietet hatten und hat sie beraten, wie sie die Mietverhältnisse beenden können. Zudem hat Hans versucht mehr Menschen, die das bisher nicht gemacht haben, für den Kampf gegen die organisierte rechte Szene im Bezirk zu gewinnen.
Hans hat für sein Eintreten für ein Klima, in dem Menschen nicht ausgegrenzt werden, und seinen leidenschaftlichen Einsatz gegen die rechten Aktivitäten in Treptow-Köpenick einen hohen Preis bezahlt. Er wurde mehrmals Opfer von Angriffen durch Neonazis, die sich an ihm für sein Engagement rächen wollten. Sie griffen sein Haus an, sprengten seinen Briefkasten und schmissen seine Fenster ein. Sie setzen sein Auto in Brand und nachdem er sich ein neues Fahrzeug kaufte, lösten Neonazis bei diesem die Radmuttern, was erst während der Fahrt auffiel. Bis heute wurde der überschaubare Täterkreis nicht zur Rechenschaft gezogen und macht munter im benachbarten Neukölln weiter.
Auch medial und öffentlich wurde Hans häufig angegriffen. So erhielt er im Mai letzten Jahres die Bürgermedaille des Bezirks Treptow-Köpenick für sein herausragendes Engagement. Das nutzte ein Bündnis aus rechten Parteien und selbsternannten Journalisten, um ihn anzugreifen. Seine Vergangenheit beim MFS, woraus er nie ein Geheimnis machte, wurde genutzt, um antifaschistische Arbeit zu delegitimieren und ihn ganz persönlich anzugreifen und aufs übelste persönlich zu beleidigen. Doch bis zuletzt hat sich Hans vom rechten Terror und den unzähligen Drohungen, die er erhielt, nicht einschüchtern lassen. In beeindruckender Weise setzte er sich nach den Taten noch entschlossener ein. Viele kennen noch seinen Spruch: „Euer Hass ist mein Ansporn!“, welchen er den Neonazis entgegenrief und welcher sein politisches Lebensmotto werden sollte.
Die genannten Erfolge, in denen Neonazis in den vergangenen Jahren zurückgedrängt wurden, hat Hans natürlich nicht alleine zu verantworten. Er war kein Alleingänger, sondern hat stets versucht mit anderen zusammen zu arbeiten. Für uns steht aber fest: Ohne Hans wären die organisierten Neonazis im Bezirk noch immer stark. Er war sich für viele Aufgaben nicht zu schade und hat tatkräftig antifaschistische Initiativen in Treptow-Köpenick unterstützt. Wir konnten uns immer auf Hans verlassen. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, seinen Freund*innen und seinen anderen Mitstreiter*innen.
Wir haben nicht nur einen wichtigen Antifaschisten verloren, sondern auch einen humorvollen guten Freund.
In tiefer Trauer.
Antifas aus Treptow-Köpenick