NPD-Werbung und Trump-Fans – Gezielte Provokation durch die AfD Treptow-Köpenick

Update ⇨ Veränderung der AfD-Liste: https://www.berlin.de/ba-treptow-koepenick/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/vo020.asp?VOLFDNR=5559

Als Björn Höcke, AfD-Funktionär im Thüringer Landtag, am vergangenen Dienstag bei einer Veranstaltung der Jungen Alternativen in Dresden seine Brandrede begann, war ihm sicher klar, dass er damit Aufmerksamkeit erregen würde. „Die Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat“, behauptete Höcke, während er von AfD-Anhängern bejubelt wurde. Höcke schwadronierte weiter über die „dämliche Bewältigungspolitik“, die Deutschland anscheinend schwächte – gar moralisch zur Selbstauflösung zwinge.1

Höckes Rede erinnert in Stil und Wortwahl an Reden von Nationalsozialistischen Propagandisten und erreicht damit ein neues und unerträgliches Niveau. Björn Höcke zeigt deutlich, wie er sich die AfD und die Zukunft Deutschlands vorstellt: ein Land, in dem die AfD als alleinige Partei regiert.2 Gleichzeitig handelt es sich um eine Strategie der RechtspopulistInnen: Ein AfD-Papier für die Bundestagswahl 2017 offenbarte bereits im vergangenen Jahr genau dieses Handeln der Partei. So soll „ganz bewusst und ganz gezielt immer wieder politisch inkorrekt“ aufgetreten werden. Man will als Partei der Tabubrüche im Gespräch bleiben. Dabei ist es nicht wichtig, was man sagt, vielmehr spielt die breite Aufmerksamkeit eine Rolle.3

Aber nicht nur auf Bundesebene, auch in den Bundesländern und auf kommunaler Ebene fährt die AfD genau diese perfide Masche. So hat die AfD beispielsweise in Berlin-Lichtenberg gezielt eine Person als Bezirksstadtrat nominiert, gegen die die Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Volksverhetzung ermittelt. Die Aufmerksamkeit lag ganz bei der AfD, die mit dieser Nominierung bewusst provozierte.4 Nachdem der Kandidat am 15. Dezember 2016 in zwei Wahlgängen nicht die erforderlichen Stimmen in der Bezirksverordnetenversammlung bekam, entschied sich der Bezirksverband für eine neue Personalie.5

Auch im Bezirksverband der AfD Treptow-Köpenick regt sich seit Dezember 2016 einiges, obwohl die AfD im südöstlichen Bezirk Berlins eher unauffällig agiert und laut einem Facebook-Kommentar eines AfD-Anhängers „die ganzen alten Lucke-Verehrer“ beherbergt.6 So schreibt Martin Trefzer, Mitglied im Bezirksvorstand der AfD Treptow-Köpenick, mal einen Artikel7 für die rechte Zeitung „Junge Freiheit“, Reimer Burkhard, BVV-Abgeordneter der AfD in Treptow-Köpenick hasst die Energiewende und wird dafür beim rechten Kopp-Verlag gefeiert8 und Bernd Stahlberg (ebenfalls BVV-TK) tritt mit Reichsbürger-Thesen9 auf und war Besucher10 der extrem rechten Compact-Konferenz 2016 in Berlin. Doch im Vergleich zu vielen anderen Bezirks- und Kreisverbänden blieben die wirklich schlimmen Aussagen oder Personalentscheidungen aus – bis jetzt.

Mit der Nominierung der Bürgerdeputierten, also sachkundiger Bürger_innen, die in den Ausschüssen der Bezirksverordnetenversammlung stimmberechtigte Mitglieder sind, ändert die AfD ihre Strategie auch in Treptow-Köpenick und folgt hier dem Handeln der AfD-Funktionäre auf Bundesebene. Insgesamt kann die AfD-Fraktion in Treptow-Köpenick neun Bürgerdeputierte vorschlagen, dazu kommen weitere neun Stellvertreter_innen, wovon die AfD nur sechs benannt hat.11

Wer sich nun nur für einen kurzen Moment die Mühe macht und bei Facebook die vorgeschlagenen Personen sucht, eines der wichtigsten Medien für die Verbreitung von AfD-Inhalten, wird schnell stutzig.

So wurde Helga L. von der AfD als Bürgerdeputierte nominiert. Auf ihrem Facebook-Profil sind alle Aktivitäten leicht nachvollziehbar. Beispielsweise hat Helga am 2. November 2015 ein Foto des NPD-Landesverbandes geteilt und gleichzeitig zum NPD-Aufmarsch in Berlin-Johannisthal am selbigen Tag aufgerufen. Anmelder und Teilnehmer des Aufmarsches wollten direkt auf eine neu eröffnete Unterkunft für geflüchtete Menschen marschieren, was jedoch glücklicherweise durch 500 Gegendemonstrant_innen blockiert wurde.Außerdem finden sich in der nahezu unendlichen Sammlung von Bildern, die sie postet, Sprüche wie etwa „Stürzt Merkel endlich! Ihr schafft das!“ oder die bei Neonazis vielfach genutzte Floskel „Deutschland wird auch die BRD überleben!“.

Dieser Spruch ist Ausdruck der völkischen Vorstellung von Neonazis, dass Deutschland durch Blut und Boden definiert wird und nicht durch Staatsgrenzen. Ein häufiger Rückschluss der Ideologie ist, dass Neonazis die Grenzen der BRD nicht anerkennen und stattdessen Teile von Westpolen als „Deutsch“ begreifen.

Ebenfalls sind Geflüchtete, die nicht zurück in ihr Land gehen und dort kämpfen, für Helga L. Abschaum!

Im Vergleich zu vielen Online-RassistInnen ist Helga L. aber nicht erst seit kurzem bei Facebook mit Verachtung und Hetze vertreten. Schon 2014 kommentierte sie, vermutlich in Rage, auf der extrem rechten Facebook-Seite „Nein zum Heim in Köpenick“ unter einem Ergebnis einer Sat.1-Umfrage zum Wohlwollen der Deutschen gegenüber Geflüchteten „Kann it würklisch sein, daß die uns vetarschen wollen?“. Der schwer zu verstehende Kommentar verdeutlicht, dass sich Helga L. mindestens seit dem Beginn der im Internet organisierten rassistischen Proteste in Berlin für neonazistische Websites interessierte. Schon von Beginn an war deutlich, dass es sich bei der besagten Facebook-Seite um eine Neonazi-Tarnseite handelt.

Der Fall Helga L. zeigt ein typisches Muster. Auf kommunalpolitischer und parlamentarischer Ebene gibt sich zumindest ein Teil des AfD-Personals bürgerlich-seriös. In der eigenen Filterblase auf Facebook jedoch oder auf Veranstaltungen vor den eigenen Anhänger_innen werden oft genug eindeutig rechtsextreme und rassistische Äußerungen vulgärster Art getätigt. Für die demokratische Kommunalpolitik wird es darauf ankommen, auf diese Kluft hinzuweisen und breiten Teilen der Bevölkerung zu vermitteln, dass die antidemokratischen und menschenverachtenden Positionen der AfD eine Bedrohung für die gesamte Gesellschaft sind.“, so Mathias Wörsching von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin.

Die als Bürgerdeputierte nominierte Gabriele K. ist im Vergleich zu Helga L. mit ihren Bildern auf Facebook nicht nur sparsamer, sie fokussiert sich auch auf andere Gruppierungen und Themenschwerpunkte. So teilt sie etwa Inhalte von extrem rechten Seiten wie PEGIDA-Nürnberg oder der neurechten „Ein Prozent“-Initiative und ein Video der Identitären Bewegung, die auch in Treptow-Köpenick aktiv ist.

Am auffälligsten sind jedoch die Bilder, die einen Vergleich zwischen AfD-Politikern und Juden im Nationalsozialismus erzeugen sollen. Gabriele K. konstruiert ihrem Publikum damit eine Opferrolle, in der sich die AfD zu befinden scheint und aus der die Partei nur durch den Widerstand herauskommt. Damit scheint Gabriele K. ganz auf der Linie der Bundes-AfD zu sein und unterstützt die Strategie des Tabubruchs.
Auf dem von Gabriele K. am 13. Januar 2017 geposteten Bild ist im unteren Bereich eine Gruppe Studierender der Uni Magdeburg zu sehen, die gegen einen Auftritt des AfD-Fraktionsvorsitzenden in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, protestiert. Dabei wird nicht nur so getan, als ob der Protest gegen die AfD so ekelhaft sei wie der Antisemitismus im Nationalsozialismus, die antifaschistischen Studierenden werden dabei zudem mit Nazis gleichgesetzt.

Dagegen beinahe harmlos wirkt das Profil von Mick M.. Auch er wurde von der AfD Treptow-Köpenick als Bürgerdeputierter aufgestellt. Auffällig ist jedoch, dass ihm neben Donald Trump ebenfalls eine verschwörungstheoretische und höchst anti-amerikanistische Facebook-Seite mit dem Namen „Hinter den Kulissen der Nacht“ gefällt.

Wer abseits von Facebook weiter sucht, stößt schnell auf Informationen zu Marcus M., der ebenfalls auf der AfD-Liste der Bürgerdeputierten zu finden ist. Laut der Autonomen Antifa Freiburg12 ist er Mitglied der extrem rechten Burschenschaft Gothia Berlin, die, so Frank Metzger vom Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. (apabiz) „eine der extrem rechten Burschenschaften in Berlin ist und derzeit den Vorsitz im völkisch-nationalistischen Dachverband Deutsche Burschenschaft inne hat“.

Außerdem ist Marcus M. nach Angaben der Autonomen Antifa Freiburg Teil der extrem rechten Identitären Bewegung. „Die Identitären fallen im Bezirk immer wieder auf. Sie verkleben hunderte Aufkleber, manchmal inkl. Hakenkreuzen- oder AfD-Stickern. Im Jahr 2015 haben sie zudem mehrmals versucht demokratische Veranstaltungen zu stören und Menschen einzuschüchtern“, so Samuel Signer, Leiter des Registers zur Erfassung rechtsextremer und diskriminierender Vorfälle in Treptow-Köpenick.

Zwei weitere Aufgestellte Bürger sind Johannes P. und Mike M.. Beide sind der Bürgerinitiative Altglienicke zuzurechnen und traten dort als Redner auf. Die Bürgerinitiative organisierte mit tatkräftiger Unterstützung der CDU-Abgeordneten Katrin Vogel mehrere rassistische Kundgebungen im Ortsteil Altglienicke, um eine geplante Unterkunft für Geflüchtete zu verhindern. Auf den Kundgebungen wurden rassistische Redebeiträge gehalten, NPD-Kader und weitere TeilnehmerInnen der extrem rechten konnten ungehindert und ohne Anmerkung durch die OrganisatorInnen an den Veranstaltungen teilnehmen. Im Nachgang zu den Kundgebungen gab es einen versuchten Brandanschlag auf die Baustelle der Unterkunft und mehrere äußerst brutale Übergriffe auf Geflüchtete.

Die AfD Treptow-Köpenick ändert durch die Nominierung dieser Personen als Bürgerdeputierte für die Ausschüsse der Bezirksverordnetenversammlung ihre Strategie und passt diese dem bundesweiten AfD-Trend an. Tabubrüche werden begangen, um so eine breite Aufmerksamkeit zu erhalten.

Nach dem Bekanntwerden der aufgestellten BürgerInnen haben die RechtspopulistInnen zwei Möglichkeiten. Entweder die Wahl der Bürgerdeputierten gelingt ihnen und sie schaffen dadurch eine klare Anbiederung an ein extrem rechtes Publikum oder die Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung wählen einzelne aufgestellte BürgerInnen nicht.

Die AfD Bezirksverband kann dann in altbekannter Manier wieder behaupten, sie hätten nichts von den extrem rechten Vorlieben ihrer KandidatInnen gewusst, um so allen weiteren Fragen dazu auszuweichen und den bürgerlich-seriösen Schein zu wahren oder sie inszenieren sich als mutige DemokratInnen, die keine Vorverurteilung ihrer KandidatInnen vornehmen möchten.

Alles in allem wird die AfD versuchen, sich als Gewinnerin in der Wahl zu profilieren. Hier müssen die demokratischen Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung der AfD eine klare Absage erteilen und die Aufstellung nicht als einmaligen Fehler oder als ein Versehen einer „noch jungen Partei“ einordnen, sondern dies als gezielte und perfide Strategie der AfD erkennen und benennen. Wer extrem rechte BürgerInnen als VertreterInnen aufstellt, macht sich unglaubwürdig als demokratischer Akteur und muss auch so behandelt werden!

1Zitiert nach Tagesspiegel „Der Totale Höcke“ vom 18. Januar 2017 http://www.tagesspiegel.de/politik/brandrede-in-dresden-der-totale-hoecke/19267154.html (eingesehen am 19.1.2017)

2Zitiert nach Spiegel „Schauen Sie diese Rede“ vom 18. Januar 2017 http://www.spiegel.de/netzwelt/web/bjoern-hoecke-rede-offenbart-gesinnung-kolumne-von-sascha-lobo-a-1130551.html (eingesehen am 19.1.2017)

3Zitiert nach Tagesspiegel „AfD stellt App für verunsicherte Bürger vor“ vom 16. Dezember 2016 http://www.tagesspiegel.de/politik/nrw-wahlkampf-afd-stellt-app-fuer-verunsicherte-buerger-vor/14991488.html (eingesehen am 19.1.2017)

4Zitiert nach Tagesspiegel „AfD will an Wolfgang Hebold festhalten“ vom 17. November 2016 http://www.tagesspiegel.de/berlin/bvv-lichtenberg-afd-will-an-wolfgang-hebold-festhalten/14859502.html (eingesehen am 19.1.2017)

5Zitiert nach RBB 24 „Lichtenberger AfD zieht Hebold als Stadtratskandidaten zurück“ http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2017/01/afd-nominiert-frank-elischewski-als-stadtrat-in-lichtenberg.html (eingesehen am 19.1.2017)

6Facebook Kommentar unter dem Post der AfD vom 19. Oktober 2016 https://www.facebook.com/alternativefuertk/posts/1199764540085864 (eingesehen am 19.1.2017)

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